Clara Walter, Hochschule Reutlingen, und Laudator Prof. Dr. Hermann Diller, Universität Erlangen-Nürnberg

Wissenschaftspreis für die Beste Bachelorarbeit 2019, dotiert mit 3.000 €
Clara Walter, Hochschule Reutlingen: „A Qualitative Study Exploring Consumers’ Motives to Participate in Collaborative Apparel Consumption“

Sharing Economy – ein Konzept für die Textilbranche?

Die Sharing Economy ist seit mehr als einem Jahrzehnt in aller Munde und damit kein ganz neuer Trend mehr. Sie gewinnt aber gerade in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. Uber, Airbnb und Netflix zeigen bereits erfolgreich, dass kollaborativer Konsum funktioniert. Auch große Einzelhändler wie Tchibo und Ikea springen auf den Zug auf und ermöglichen es den Kunden, aus einem Teil ihres Sortiments Produkte zu leihen. Allerdings wird das Konzept von einem Großteil des etablierten Handels abgelehnt. Die Vorstellung, vom traditionellen Eigentum abzurücken, ist für viele noch unrealistisch.

Auch in der Bekleidungsbranche entwickelt sich das Modell nur schleppend, obwohl auch hier Vorteile und Bedarf von kollaborativem Konsum nicht nur auf Konsumentenseite liegen. Denn die Modehändler geraten zunehmend unter Druck durch den Aufstieg der Fast-Fashion-Industrie und die damit einhergehenden immer schneller werdenden Produktzyklen, Billigproduktionen und den Preisdruck durch die starke Konkurrenz. Dieser Effekt ist nicht nur bei den kleineren Modehändlern bemerkbar, sondern betrifft inzwischen auch die großen Ketten. Der kollaborative Kleidungskonsum ist eines der Modelle, die als Ausweg aus der Negativ-Spirale fungieren können. Schnell wachsende Unternehmen wie Kilenda, Kleiderei, Kleiderkreisel und Rebelle zeigen mit unterschiedlichen Modellen, wie es gelingt.

Im Zentrum der Arbeit steht allerdings die Frage nach den Motiven, welche die – meist jungen – Menschen dazu drängt, sich auf solchen Plattformen zu versorgen. Handelt es sich hier um lauter Gutmenschen oder grüne Spinner oder um Pioniere eines neuen Konsumstils? Machen es die Leute eher aus eigennützigen oder aus ökologischen Motiven? Macht Sharing einfach Spaß, weil es neu ist, handelt es sich deshalb vielleicht nur um eine kurze Modewelle? Und wie geht der Konsument mit den Risiken und Fallstricken solcher Plattformen um?

Hier knüpft die Bachelorarbeit von Clara Walter an. Ziel ihrer Arbeit ist es, die ermittelten Motive zu konzeptualisieren und Händlern somit einen Plan an die Hand zu geben, Strategien für erfolgreiche Sharing-Modelle zu entwickeln. Frau Walter hat dazu mit der Theorie des geplanten Verhaltens ein geeignetes verhaltenswissenschaftliches Modell herangezogen und für ihren Fall des Bekleidungshandels spezifiziert und operationalisiert. Herausgekommen sind dabei 39 Motivationsfaktoren aus insgesamt 5 Verhaltenskategorien.

Abwechslung im Kleiderschrank mit gutem Gewissen der Umwelt gegenüber ist ein wichtiger Nutzen auf Konsumentenseite. Anbieter haben die Möglichkeit einen noch neuen Markt mitzugestalten, von der überschüssigen Ware anderer Modehändler zu profitieren und Kunden anzuziehen, die dem Trend voraus gehen.

„Die Arbeit von Frau Walter überzeugt nicht nur durch die große Leidenschaft, mit der sich die Autorin mit dem Thema auseinandersetzt. Die Thesis hat ihre Stärke vor allem im inhaltlichen Tiefgang und der äußerst strukturierten Herangehensweise. Für die Praxis ist die Arbeit deshalb von hoher Relevanz, da sie Licht auf die Frage wirft, warum Konsumenten überhaupt am kollaborativen Kleidungskonsum teilnehmen. Das ermöglicht perspektivisch die gezielte Positionierung und Optimierung von Sharing-Geschäftsmodellen in der Bekleidungsbranche.“

Prof. Dr. Tina Weber,
betreuende Professorin