Tatjana Bockler, FOM Frankfurt, und Laudatorin Dr. Simone Kerner, P&C

 

Wissenschaftspreis für die Beste Masterarbeit 2019, dotiert mit 5.000 €
Tatjana Bockler, FOM Frankfurt: „Heuristiken, Fairness und Dynamic Pricing – Verhaltensökonomische Faktoren und Preisfairnesseffekte bei Dynamic Pricing im Einzelhandel“.

Ein heißes Eisen: Fairness und Dynamic Pricing

Preisdifferenzierung ist und bleibt eines der wichtigsten Instrumente im Marketing-Mix der Unternehmen. Im Handel wie in vielen anderen Branchen ist die Preisfindung in Abhängigkeit von der konkreten Marktlage ein altbekanntes Verfahren. Allerdings spricht man heute nicht mehr von Preisdifferenzierung, sondern von Dynamic Pricing.

Die Modelle zur Preisdifferenzierung finden dabei heute eine ganz neue Dynamik. Im Online-Handel gehören ständige Preisänderungen längst zur Tagesordnung. In Abhängigkeit von der Such- oder Bestellhäufigkeit, von der Tageszeit oder vom genutzten Endgerät des Kunden werden die Preise differenziert, und das immer präziser und in immer kürzeren Abständen. Die dynamische Preisfindung ist eines der Kern-Einsatzgebiete für Künstliche Intelligenz.

Am Beispiel der Tankstellen zeigt sich aber auch deutlich, dass häufige Preisveränderungen in den Medien sehr kritisch beobachtet werden. Hier gilt in der Regel die Vermutung, dass Preisdifferenzierung stets zu Ungunsten der Kunden eingesetzt wird.

Auch im Lebensmittelhandel, und darum geht es in dieser Arbeit ganz besonders, werden die Voraussetzungen für dynamische Preise immer besser. Elektronische Regaletiketten werden günstiger und prägen zunehmend die Regalschienen in den Supermärkten. Damit sind die technischen Grundlagen für eine zunehmende Flexibilität der Preisgestaltung grundsätzlich gegeben.

Für den Händler gilt es zwei Dinge abzuwägen. Die finanziellen Optimierungspotentiale auf der einen Seite, die Akzeptanzrisiken durch die Kunden auf der anderen.

Insgesamt werden in der Arbeit 10 Hypothesen zur Wirkung dynamischer Preise in 12 Szenarien durch eine empirische Studie überprüft. Die Stichprobe für die Online-Befragung umfasst 141 Personen.

Heute verzichtet der stationäre Handel auf viele Möglichkeiten der Preisdifferenzierung. Aus Sorge um die negativen Auswirkungen im Hinblick auf die Kundenbeziehung. Und aus Angst vor negativer Berichterstattung in den Medien.

Die Schlussfolgerungen der Gewinnerarbeit aus theoretischer Analyse und empirischer Untersuchung deuten darauf hin, dass die Risiken von Dynamic Pricing durch den Handel eher überschätzt werden. Solange Preisveränderungen nicht unerwartet und vor allem nicht nur einseitig als Preiserhöhungen auftreten, werden sie von den Kunden durchaus als fair empfunden.

In der Arbeit wird auch aufgezeigt, dass neue Preisverfahren allein durch ihre unternehmensseitige Anwendung in soziale Normen einfließen und damit zu größerer Akzeptanz führen. Die Menschen gewöhnen sich also zunehmend an dynamische Preise. Und der steigende Anteil des Online-Handels mit Lebensmitteln wird wohl auch in dieser Branche die üblichen Normen verändern. Insgesamt sind die Ergebnisse optimistisch und ermuntern den Handel zu mehr Mut beim Dynamic Pricing.

 

„Die Dynamic-Pricing-Arbeit ist außergewöhnlich aufgrund der gelungenen Verzahnung von verhaltensökonomischen Theorien mit den praktischen Fragen der Preisgestaltung. Die Studie stärkt die direkte Umsetzbarkeit von Dynamic Pricing im Handel, um neue Potenziale für Marge und Gewinn zu entwickeln und Vertriebsmodelle in Zeiten des disruptiven Umbruchs fit zu machen.“

Prof. Dr. Winand Dittrich,
betreuender Professor